Nach der überraschenden Kehrtwende der Kanzlerin zum Thema „Ehe für alle“, soll am Freitag, den 30. Juni 2017 im Bundestag darüber abgestimmt werden.
Dazu erklärt Arn Sauer vom Vorstand der Bundesvereinigung Trans*:
(Berlin, am 28.6.17) – „Gleichstellung in Sachen ‚Ehe für alle‘ ist sicher ein wichtiges Anliegen, doch über den Jubel darüber soll eine noch unerledigte bedeutende Menschenrechtsaufgabe nicht vergessen werden: Trans*rechte und die notwendige Reform des Transsexuellengesetzes (TSG). Das TSG verlangt von Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern wollen zwar nicht mehr den Nachweis einer ‚geschlechtsangleichenden Operation‘ und der dauerhaften Unfruchtbarkeit, denn diese Vorgaben sind 2011 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig ausgesetzt worden. Doch noch immer müssen trans* Menschen demütigende psychische Verfahren durchlaufen damit ihr Geschlecht rechtlich anerkannt wird. Dies kann und darf im Jahr 2017 nicht mehr der Fall sein! Wir fordern die Abschaffung der medizinisch/psychiatrischen Begutachtung und eine längst überfällige Reform des TSG. Dazu haben die Grünen im Mai einen konkreten Reformvorschlag vorgelegt, der allen Parteien vorliegt. Darin werden trans* Menschen auf Grundlage von Selbstbestimmung in ihrem Identitätsgeschlecht anerkannt, wie es u.a. vom Europarat gefordert und mittlerweile in zahlreichen europäischen Ländern gehandhabt wird. Der Bundestag soll über die ‚Ehe für alle‘ und die TSG-Reform abstimmen! Alle Bundestagsparteien könnten in ihrer letzten Sitzung der Legislatur noch ernst machen und ihre Gewissensabstimmung erweitern.“
Eine entsprechende Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes (TSG) und Einführung einer zeitgemäßen gesetzlichen Regelung liegt ebenfalls seit dem 2. Juni 2017 vor (Drucksache 362/17). Die BVT* dankt in diesem Zusammenhang den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen, Berlin, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen für die Initiative und die Unterstützung.
Hintergrund:
Das Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ist antiquiert und reformbedürftig. In den letzten 37 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in insgesamt sieben Entscheidungen weite Teile des Gesetzes außer Kraft gesetzt und den Großteil der aufgestellten Zugangsbarrieren für verfassungswidrig erklärt, wie der Zwang zur operativer Geschlechtsangleichung und zur Sterilisation. Weiterhin besteht aber die Voraussetzung eine zweifache medizinisch/psychiatrische Begutachtung zum Zwecke der Feststellung einer „transsexuellen Prägung“ vorzuweisen. Dies ist ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der betreffenden Personen und muss abgeschafft werden. Die Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte haben eine grundsätzliche Reform des Gesetzes ein ums andere Mal vermieden. International begreifen Staaten es immer mehr als ihre proaktive Pflicht, positive Maßnahmen zum Schutz von Geschlechtsidentität zu implementieren.
Mehr zu den Forderungen der Bundesvereinigung Trans* im Policy Paper Recht:
http://www.bv-trans.de/wp-content/uploa … -Recht.pdf
Grüner Entwurf TSG-Reform:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/121/1812179.pdf
Bundesrat DS 362/17: https://www.bundesrat.de/bv.html?id=0362-17
Presseerklärung im PDF-Format