Trans*feindliche Gewalt tötet: An diesen Fakt erinnert jedes Jahr der Trans Day of Remembrance (TDOR), der am 20.11., begangen wird. Der Gedenktag ist ein Tag der Trauer für trans* und nicht-binäre Communities, aber auch ein Tag der Wut und der Aktion: In vielen Städten finden Mahnwachen, aber auch Kundgebungen und Demonstrationen statt. Das Trans Murder Monitoring, das tödliche Gewalt an trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen erfasst, listet in diesem Jahr zum ersten Mal seit 2008 auch Deutschland.
327 Morde an trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen meldet das Trans Murder Monitoring der Menschenrechtsorganisation TGEU in den vergangenen 12 Monaten weltweit. Die überwiegende Mehrheit der getöteten waren trans* Frauen oder trans*feminine Personen, die Schwarz, indigen oder of Colour waren. Viele der Getöteten waren migrantisiert, viele waren Sexarbeiter*innen: Besonders das Zusammenwirken von Trans*feindlichkeit, Trans*misogynie, Rassismus und Sexarbeiter*innenfeindlichkeit tötet. Das zeigen die Daten des Monitorings jedes Jahr erneut. Die meisten Getöteten waren zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 31 und 40 Jahre alt, die jüngste identifizierte Person war 15. In den vergangenen Jahren stiegen die Zahlen stetig an, mit einem Höchstwert von 375 ermordeten Personen im Jahr 2021.
In diesem Jahr besonders auffällig: Nicht nur Deutschland taucht in der Statistik auf, sondern auch Italien (1), Frankreich (2), Schweden (1), Großbritannien (1), Estland (1) und die Schweiz (1) – wobei die beiden letztgenannten zum ersten Mal seit Erfassungsbeginn in 2008 genannt werden. Die in Estland und der Schweiz getöteten Personen waren beide Schwarze trans* Frauen, die aus Jamaika und Brasilien nach Europa migriert waren. Beide wurde in ihren eigenen Wohnungen erstochen. Aus Deutschland wurde der Tod von Malte C. erfasst. Er wurde am Rande des Münsteraner CSDs niedergeschlagen und starb im Krankenhaus an seinen Verletzungen.
Cuso Ehrich aus dem Vorstand des BVT* sagt dazu: „Die Zahlen des Trans Murder Monitorings sind erschreckend. Weder in der eigenen Wohnung noch im öffentlichen Raum können sich trans* und nicht-binäre Personen sicher fühlen. Trans* und queerfeindliche Gewalt nimmt zu und das gesellschaftliche Klima wird feindlicher. Seit der Vorstellung der Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetzes im Juni 2022 wird besonders viel über trans* und nicht-binäre Personen gestritten, auch in den Medien. Viele Beiträge diskutieren, ob trans* und nicht-binäre Personen grundsätzliche Rechte verdient haben. Dabei sollten diese Rechte selbstverständlich sein und ein Fokus darauf gelegt werden, wie auch sie Schutz vor Gewalt oder auch Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bleiberecht oder zum Wohnungsmarkt, erhalten können. Personengruppen grundsätzliche Rechte zu verweigern und ihre Existenz in Frage zu stellen, verschlimmert die menschenrechtliche Lage von trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen, besonders derer, die aufgrund mehrerer Faktoren marginalisiert werden. Viele Aspekte der politischen und medialen Diskurse sind Teil des gesellschaftlichen Nährbodens, der trans*feindliche Angriffe erst ermöglicht.“
Am Trans Day of Remembrance gedenken die trans* Communities aber nicht nur Malte C. und nicht nur den 327 im Trans Murder Monitoring erfassten Personen. Die Communities trauern am TDOR auch um all die Personen, die in diesen Statistiken regelmäßig nicht gezählt werden: Um die Personen, die unter einem abgelegten Namen begraben wurden oder gar nicht als trans*, nicht-binär oder gender-nonkonform benannt wurden. Um die Personen, die nicht die Gelegenheit hatten, Gemeinschaft in Communities zu finden. Die Communities trauern um die Personen, deren Geschichten medial ausgeschlachtet worden sind oder über die gar nicht berichtet wurde. Wir trauern um die Personen, deren Morde nie aufgeklärt wurden und um die Personen, die durch weniger greifbare Gewaltformen gestorben sind und deswegen gar nicht offiziell als trans*feindliche Morde erfasst werden: Die Menschen, die systematisch verletzbar gemacht werden und an der Diskriminierung verzweifelten, die ihnen immer wieder im öffentlichen Raum, im nahen Umfeld, am Arbeitsmarkt oder im Gesundheitssystem entgegenschlug und schließlich unaushaltbar wurde.
Robin Ivy Osterkamp aus dem Vorstand des BVT* sagt dazu weiter: „Trans* und Queerfeindliche Gewalt ist Gewalt, die besonders Schwarze, migrantisierte, und/oder geflüchtete Menschen betrifft. Wir brauchen starke Bündnisse und Verbündete, die Gewalt intersektional betrachten und gegen mehr als nur ein Machtverhältnis arbeiten. Der TDOR soll Raum zum Trauern geben, angesichts einer Gesellschaft, die Gewalt gegen trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen oft gar nicht zur Kenntnis nimmt. Der Tag soll aber auch wachrütteln und uns verbinden: Um gemeinsam entschlossen für die Personen zu kämpfen, die noch am Leben sind. Um Lebensumstände und Menschenrechtslagen so weit zu verbessern, dass jede trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Person die Anerkennung, Ressourcen und Unterstützung erhält, die sie braucht und sich wünscht.“
Weitere Informationen zu den aktuellen Zahlen des Trans Murder Monitorings:
(Auszug aus der Pressemitteilung der TGEU)
- Morde an 327 trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen wurden im diesjährigen Trans Murder Monitoring erfasst
- In diesem Jahr wurden das erste Mal seit Start der Erfassung in 2008 Fälle aus Estland und der Schweiz gemeldet – beide getöteten Personen waren Schwarze trans* Frauen, die nach Europa migriert waren
- 95 % aller ermordeten Personen waren trans* Frauen oder trans*feminine Personen
- Die Hälfte der ermordeten Personen, deren Beruf bekannt ist, waren Sexarbeiter*innen
- 65 % der ermordeten Personen waren von Rassismus betroffen (bezogen auf die Fälle, in denen Daten zur Betroffenheit von Rassismus vorliegen)
- 36 % der in Europa ermordeten trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen waren nach Europa migriert
- 68 % von allen registrierten Morden wurden in Süd-Amerika und der Karibik verübt, 29 % aller registrierten Morde geschahen in Brasilien
- 35 % aller Morde geschahen auf der Straße und 27 % in den Wohnungen der ermordeten Personen
- Die meisten ermordeten Personen waren zwischen 31 und 40 Jahre alt.
Die überwiegende Mehrheit der getöteten waren trans* Frauen oder trans*feminine Personen, die Schwarz, indigen oder of Colour waren. Viele der Getöteten waren migrantisiert, viele waren Sexarbeiter*innen: Besonders das Zusammenwirken von Trans*feindlichkeit, Trans*misogynie, Rassismus und Sexarbeiter*innenfeindlichkeit tötet. Das ist ein besorgniserregender Trend, den die Daten des Monitorings jedes Jahr erneut zeigen.
Die hohen Zahlen in Südamerika und der Karibik kommen auch daher zu Stande, dass in diesen Regionen besonders effektive Monitoring- und Meldesysteme etabliert werden konnten, die es in anderen Teilen der Welt nicht in dieser Form gibt. Eine genauere Analyse der spezifischen sozialen, politischen, ökonomischen und historischen Kontexte, die zudem zu den erhöhten Zahlen in diesen Regionen beitragen, findet sich u.a. hier: Carsten Balzer/Carla LaGata and Lukas Berredo (2016) TMM Annual Report 2016: 2,190 murders are only the tip of the iceberg – An introduction to the Trans Murder Monitoring project.
Das Trans Murder Monitoring erstellt jedes Jahr eine interaktive Karte, die online eingesehen werden kann.
Dieses Statement ist als Pressemitteilung erschienen und kann als PDF heruntergeladen werden.