Presseerklärung des BVT*
Heute, am 1. November 2024, ist es soweit: Mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes wird das bisherige sogenannte Transsexuellengesetz (TSG) nach mehr als 40 Jahren abgelöst. Auch der § 45b PStG (Personenstandsgesetz), der eine Änderung des Geschlechtseintrags ermöglichte, wird ersetzt. Künftig können Menschen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen direkt beim Standesamt per Selbstauskunft ändern.
Kalle Hümpfner, Leitung der gesellschaftspolitischen Arbeit beim Bundesverband Trans*, betont: „Die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes ist das größte queerpolitische Projekt, das in dieser Legislaturperiode bisher umgesetzt wurde. Nach Jahrzehnten, in denen die rechtliche Lage allein durch Verfassungsbeschwerden angepasst wurde, ist nun erstmalig die Gesetzgebung proaktiv ins Handeln gekommen. Der heutige Tag wurde von vielen Personen sehnlichst erwartet. Es ist eine große Erleichterung, dass Personen künftig selbstbestimmt und ohne Begutachtung ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern können. Die gesellschaftliche Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt als selbstverständlich ist damit einen bedeutenden Schritt weiter.“
Gleichzeitig hebt Hümpfner hervor: „Die einheitliche Umsetzung des Gesetzes in allen Standesämtern wird für die Praxis entscheidend sein. Uns erreichen regelmäßig Berichte, dass Standesämter die Vorgaben des Gesetzes unterschiedlich auslegen und interpretieren. Das betrifft vor allem die Wahl der Vornamen. Es darf keine diskriminierenden Bestimmungen bei der Vornamenswahl geben, die das Recht auf Selbstbestimmung einschränken. Das Selbstbestimmungsgesetz muss in seiner Anwendung respektvoll mit dem breiten Spektrum geschlechtlicher Identitäten umgehen.“
Die Verabschiedung des Gesetzes ist das Ergebnis intensiver politischer Verhandlungen. Im parlamentarischen Verfahren konnten einzelne kritische Regelungen wie die automatische Datenweiterleitung an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden und diskriminierende Bestimmungen zu Trans*elternschaft gestrichen werden. Weiterhin sieht das Gesetz jedoch vor, dass trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Eltern nicht ihrem aktuellen Geschlechtseintrag entsprechend in das Geburtenregister der eigenen Kinder eingetragen werden (§ 11 SBGG). Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit können nur mit einem bestimmten Aufenthaltsstatus ihren Geschlechtseintrag ändern (§ 1 Abs. 3 SBGG). Jugendliche sind bis zur Volljährigkeit von der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter*innen abhängig, um den Geschlechtseintrag ändern zu können, und müssen alternativ über das Familiengericht gehen (§ Abs. 1 SBGG). Auch die umstrittenen Regelungen zum Hausrecht und zur Vertragsfreiheit (§ 6 Abs. 2 SBGG) sowie zum Spannungs- und Verteidigungsfall (§ 9 SBGG) sind im Gesetz, das heute in Kraft tritt, erhalten.
„Das Selbstbestimmungsgesetz blieb in Hinblick auf einzelnen Regelungen hinter unseren Forderungen zurück. Dennoch ist das Inkrafttreten ein Meilenstein,“ so Hümpfner abschließend. „Dieses Gesetz wurde trotz Desinformation und trans*feindlicher Stimmungsmache durchgesetzt. Über Jahrzehnte haben queere Einzelpersonen, Organisationen und Verbündete ein neues Gesetz gefordert und es ist unserem gemeinsamen Engagement zu verdanken, dass es nun tatsächlich in Kraft tritt. Wir danken allen, die unermüdlich für unsere Grundrechte eingetreten sind und sich weiterhin für mehr Akzeptanz und eine vielfältige Gesellschaft einsetzen werden.“
Dieser Text ist auch als Pressemitteilung des BVT* und kann als PDF heruntergeladen werden.