Keine Instrumentalisierung von Trans*misogynie im Wahlkampf!

Der Bundesverband Trans* ist besorgt und erschüttert über die Verbreitung trans*misogyner Narrative und Falschinformationen im Bundestagswahlkampf vor dem Hintergrund steigender Zahlen trans*feindlicher Gewalt in Deutschland und weltweit.

Am 15.01.2025 begann die Urteilsverkündung gegen eine Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener, die im Februar 2024 eine junge trans* Frau außerhalb eines Freizeitzentrums in Harrow (UK) mit neun Messerstichen lebensgefährlich verletzt hatten. Die junge Frau, die in diesem Zentrum eine Rollerskate-Disco besucht hatte, war dem aktuellen Ermittlungsstand zufolge vorsätzlich von den Täter*innen an den Tatort gelockt worden. Der geplante Angriff war motiviert vom Zorn der Täter*innen darüber, dass die Betroffene ihre Trans*geschlechtlichkeit ihnen gegenüber nicht offengelegt hatte.

Dazu sagt Dr. Tuuli Reiss, Gewaltschutzreferent*in beim Bundesverband Trans*: „Dieser Fall, der bislang in Deutschland sehr wenig Aufmerksamkeit erhält, sollte international als lautes Warnsignal verstanden werden. Er demonstriert auf erschreckende Art die Verknüpfung von Misstrauen, Täuschungsunterstellungen, Sexualisierung und schierer Brutalität, von der insbesondere Trans*misogynie – die Schnittstelle von Trans*- und Frauenfeindlichkeit – immer stärker weltweit und auch in Deutschland geprägt ist.“

Auch in Deutschland ist ein deutlicher Anstieg trans*feindlicher Gewalt zu beobachten. Das Bundesinnenministerium verzeichnet für 2023 besorgniserregende Fallzahlen für Hasskriminalität mit Bezug zu den Merkmalen „sexuelle Orientierung“ (1499 Straftaten) und „geschlechtsbezogene Diversität“ (854 Straftaten). Das ist ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr (insgesamt 1422 Straftaten in beiden Kategorien). Hiervon sind insbesondere trans*feminine Personen, Schwarze und indigene trans* Personen und trans* Personen of Color sowie trans* Sexarbeiter*innen betroffen. Die Zahlen des Trans Murder Monitoring der TGEU zeigen: Weltweit sind 94% der trans*geschlechtlichen Mordopfer trans*feminin, 93% der Opfer sind trans* BI_PoC.

„Verstärkte trans*misogyne Gewalt ist ein Resultat der erhöhten Sichtbarkeit bei gleichzeitiger verringerter Sicherheit insbesondere im Falle von trans* Frauen und trans*femininen Personen sowie rassismusbetroffenen trans* Menschen“, so Dr. Tuuli Reiss weiter. „Der populistische und oftmals menschenfeindliche Diskurs um das Selbstbestimmungsgesetz hat die gesamtgesellschaftliche Stimmung und den Hass weiter verschärft. Realitätsferne Panikmache zu trans* Frauen, die in Schutzräumen, Toiletten oder Saunen zur Gefahr für cis Frauen und Kindern würden, haben den Hass und die Salonfähigkeit von Trans*misogynie intensiviert. Diese vermeintliche ‚Gefahr‘ ist erfunden und von keinerlei Daten untermauert, während gleichzeitig belastbare Zahlen vorliegen, die einen Anstieg der Gewalt gegen eben die Gruppe von Menschen demonstrieren, die selbst unbegründet als Gefahr konstruiert wird.“

Währenddessen ist im Vorfeld der Bundestagswahl am 23.02.2025 auch ein deutlicher Anstieg trans*misogyner Wahlkampfrhetorik festzustellen.

„Der Mythos gefährlicher, manipulativer oder bedrohlicher trans* Personen, insbesondere trans*femininer Personen und trans* Frauen, ist nicht nur populistisch und menschenfeindlich.“, so Dr. Tuuli Reiss weiter. „Er ist vor dem Hintergrund steigender Gewaltzahlen gegen trans* Personen schlechterdings zynisch. Es wird Wahlkampf auf dem Rücken und Leid einer ohnehin schon vulnerablen und marginalisierten Gruppe gemacht. Insbesondere rechte und konservative Parteien und Gruppen nutzen die Verwundbarkeit schamlos aus. Statt trans* Personen zu dämonisieren, könnte die Politik trans*feindlicher Gewalt durch Fokus auf Bildung und Sensibilisierung zu geschlechtlicher Vielfalt und die Förderung von Community-Organisationen entgegenwirken. Sie könnte durch Verabschiedung des geplanten Gewalthilfegesetzes alle Betroffenen geschlechtsspezifischer Gewalt unterstützen. Sie könnte die jüngst veröffentlichen Empfehlungen aus dem nationalen Aktionsplan Queer Leben umsetzen, die Selbstvertretungen für die Bundesregierung erarbeitet haben. Wir verstehen das als gesamtgesellschaftlichen und insbesondere politischen Auftrag.“

Weiterführende Links:

Fall in den UK
Zahlen zu Hasskriminalität
Informationen zum Aktionsplan Queer Leben
Informationen zum Gewalthilfegesetz
Zahlen der TGEU

Dieses Statement ist auch als Pressemitteilung des BVT* erschienen und kann als PDF heruntergeladen werden.

Grafik. Da steht: "Presseerklärung des BVT*. Keine Instrumentalisierung von Trans*misogynie im Wahlkampf! Der Bundesverband Trans* ist besorgt und erschüttert über die Verbreitung trans*misogyner Narrative und Falschinformationen im Bundestagswahlkampf vor dem Hintergrund steigender Zahlen trans*feindlicher Gewalt in Deutschland und weltweit." Bild von drei Händen, die Wahlzettel halten.