Gedenkstunde im Bundestag wird erstmalig LSBTIQ* Opfern des Nationalsozialismus gewidmet

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, an welchem an die Befreiung von Auschwitz 1945 erinnert wird. Neben dem Gedenken an die Shoah widmet sich die offizielle Gedenkstunde des Bundestags in diesem Jahr Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt wurden.

In den vergangenen Jahren standen bereits verschiedene verfolgte Gruppen im Vordergrund der Veranstaltung wie beispielsweise jüdische Personen, Rom*nja und Sinti*zze oder Personen mit Behinderung. Nun LSBTIQ* Verfolgte in den Mittelpunkt zu stellen, ist ein wichtiges politisches Zeichen. Besonders in Zeiten, in denen erneut von rechtsextremer Seite gegen geschlechtliche Vielfalt agitiert wird, ist es umso bedeutender, dass trans*, inter und nicht-binäre Personen dabei explizit bedacht werden.

Die offizielle Gedenkstunde im Bundestag am 27.01. wird um 10 Uhr mit einer Ansprache von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet. Sie übergibt das Wort an die Holocaust-Überlebende Rozette Kats, die eine Gedenkrede halten wird, und an Klaus Schirdewahn, der als Vertreter der queeren Community vor dem Plenum sprechen wird. Der Schauspieler Jannik Schümann und die Schauspielerin Maren Kroymann werden darüber hinaus Texte über zwei Opfer vortragen, deren Lebensgeschichten exemplarisch für die Verfolgung LSBTIQ* Personen während des Nationalsozialismus stehen.
 
Nora Eckert, Vorständin des BVT* sagt dazu: „Wenn heute, 78 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur, erstmalig der queeren Opfer des Nationalsozialismus unter Einbeziehung von trans* Personen gedacht wird, macht das deutlich, welche Leerstellen unser Geschichtsbewusstsein aufweist. Es ist an der Zeit, die Verfolgungsgeschichte von trans*, inter und nicht-binären Personen historisch aufzuarbeiten.“
Auch wenn LSBTIQ* Personen heutzutage mehr gesellschaftliche Anerkennung erfahren, müssen die bestehenden Leerstellen geschlossen werden: Mehr Forschung und mehr Aufarbeitung zur Verfolgung von LSBTIQ* Personen, insbesondere auch von trans*, inter und nicht-binären Personen, im NS-Regime wird dringend benötigt.

Nora Eckert sagt dazu weiter: „Trans* Personen sind Teil der Gesellschaft und ein Teil ihrer Geschichte. Diese Geschichte sollte endlich für alle sichtbar sein. Geschichtsbewusstsein ist auch wichtig, um unsere aktuellen Kämpfe um Anerkennung richtig zu verstehen.“

Befasst man sich mit rechtlichen und gedanklichen Kontinuitäten zwischen NS-Zeit und BRD, steht der § 175 StGB (Strafgesetzbuch) im Mittelpunkt: Erst 1969 zum ersten Mal entschärft, diente er dem NS-Regime als gesetzliche Grundlage für die Verfolgung von LSBTIQ* Personen. Erst 1994 wurde er abgeschafft.
Abwertungen und Praxen aus der NS-Zeit finden sich jedoch auch im heute noch geltenden „Transsexuellengesetz“ (TSG) aus dem Jahre 1980: Der darin für eine Personenstandsänderung geforderte Sterilisationszwang erinnert an systematische Sterilisierungen, wie sie auch im Nationalsozialismus durchgeführt wurden. Erst 2011 setzte das Bundesverfassungsgericht die Anwendung des entsprechenden Absatzes in § 8 TSG aus.

Bereits ab dem heutigen Mittwoch finden Veranstaltungen zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus statt:

Am Mittwoch, 25.1., wird Bundestagspräsidentin Bärbel Bas an zwei Berliner Gedenkorten für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle Kränze niederlegen: Um 11.15 Uhr findet die Kranzniederlegung an der Gedenktafel „Rosa Winkel“ am Nollendorfplatz statt. Bas wird dort von Jörn Oltmann, dem Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, und Stefan Böltes, dem Vorsitzenden der Bezirksverordnetenversammlung, begleitet. Anschließend, um 12.00 Uhr, wird die Bundestagspräsidentin zusammen mit der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Tiergarten besuchen und auch dort Blumen niederlegen.

Am Mittwoch, 25.1., findet um 18 Uhr eine Podiumsdiskussion statt. Der Titel lautet „Die queeren Opfer der NS-Zeit – schwieriges Gedenken“.

Am Donnerstag, 26.1., findet um 17 Uhr ein Podiumsgespräch mit dem Titel „Gedenken bedeutet Handeln“ im Anhörungssaal des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus statt.

Am Freitag, 27.1., nimmt der BVT* an der offiziellen Gedenkstunde des Bundestags teil.
Die Gedenkstunde wird im Internet auf www.bundestag.de übertragen. 

Dieser Text kann als Pressemitteilung des BVT* im PDF-Format heruntergeladen werden.

Auf dem Foto ist der Deutsche Bundestag zu sehen. Das Foto zeigt das Gebäude in Nahaufnahme. Der Schriftzug "Dem Deutschen Volke" ist auf dem Gebäude zu lesen. Über dem Dach ist ein blauer Himmel zu sehen, der von vielen weißen und grauen Wolken bedeckt ist.