Antidemokrastische Parteien lösen mehr und mehr Angriffe und Anfeindungen auf LSBTIQ* Personen aus.

Queere Vereine fordern zur Beteiligung an Kommunal- und Landtagswahlen auf.

Am 17.05. wird der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans*- und Asexuellenfeindlichkeit (IDAHOBITA) begangen. Jährlich wird an diesem Tag daran erinnert, welche Meilensteine im Kampf gegen Queerfeindlichkeit bereits erreicht wurden und welche Herausforderungen in diesem Bereich noch zu bewältigen sind. Queerfeindliche Hassrede und Straftaten nimmt seit Jahren zu. Laut den jüngsten Zahlen der FRA-Grundrechteagentur wurden 57 Prozent der befragten LSBTIQ*-Personen in den vorangegangenen zwölf Monaten in Deutschland verbal belästigt oder bedroht. Angesichts der anstehenden Landtagswahlen in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen und den prognostizierten Wahlergebnissen antidemokratischer Parteien wird deutlich, dass auch in Deutschland das Engagement gegen Queerfeindlichkeit nicht nachlassen darf. Anlässlich des IDAHOBITA möchten wir als LSVD-Bundesverband und Bundesverband Trans* gemeinsam mit Landesverbänden und Mitgliedsorganisationen aus den betroffenen Bundesländern unsere tiefe Besorgnis darüber ausdrücken, wie sich die Situation in Brandenburg, Sachsen und Thüringen bereits entwickelt hat und welche weiteren Verschärfungen zu befürchten sind. 

Dazu erklärt Dr. Tuuli Reiss vom Bundesverband Trans*: „Wir beobachten seit mehreren Jahren, dass queerfeindliche Vorurteile und Erzählungen in steigendem Maße salonfähig werden. Eine fundamentale Ablehnung und Abwertung von geschlechtlicher Vielfalt dient als Brückenideologie zwischen rechtsextremen und christlich-fundamentalistischen Kreisen. Neben rassistischen Vorstellungen werden vor allem antifeministische, trans*feindliche und trans*misogyne Vorstellungen genutzt, um eine vermeintliche Mitte der Gesellschaft zu mobilisieren. Die Konsequenzen daraus sind die in den letzten Jahren nachweislich stetig ansteigenden Hass- und Gewaltverbrechen gegenüber insbesondere mehrfachmarginalisierten trans*, inter und nicht-binären Personen. Damit werden demokratische Grundwerte wie die Menschenwürde untergraben und ausgehöhlt. Die Gesellschaft wird unsicherer für Betroffene.“  

Andre Lehmann vom Bundesverband des Lesben- und Schwulenverbands schließt: “Der Einsatz für die Menschenrechte von LSBTIQ* duldet keinen Aufschub. Denn wer Menschenrechte von manchen angreift, greift auch die Demokratie als Ganzes an. Wir rufen alle queeren Menschen und ihre Verbündeten auf: Nehmt jede Möglichkeit wahr, um für die Gleichstellung von LSBTIQ* zu wählen! Nutzt die Europawahl, die Kommunalwahlen, aber insbesondere auch die diesjährigen Landtagswahlen im Osten als Chance, um Eure Stimme für eine gute Zukunft für alle abzugeben.”

Lio Riske vom Verein Trans-Inter-Aktiv in Mitteldeutschland (TIAM): „Nie zuvor gab es so viele CSDs auch in kleineren Städten Ostdeutschlands. Die Saison beginnt bereits am 17. Mai. Viele Menschen setzen sich für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung ein. Auf der anderen

Seite sehen sich die Veranstaltungen mit zunehmenden verbalen und sogar körperlichen Angriffen konfrontiert. So kam es in den vergangenen Jahren u. a. zum Diebstahl von Regenbogenfahnen, Sachbeschädigungen und gewalttätigen Übergriffen. Insbesondere im ländlichen Raum, aber auch in einigen Städten ist die Lage besorgniserregend. Die Erfahrungen aus den Kommunen und Landkreisen zeigen, dass sowohl die Bedrohungslage durch rechtsextreme Kräfte als auch die prekäre Fördersituation von Bildungs- und Beratungsangeboten das Engagement von und für queere Menschen in unserer Region zunehmend erschwert. Dabei sind Anlaufpunkte gerade für junge Menschen wichtig, weil sie hier oftmals die einzigen Ansprechpersonen für ihre Anliegen finden. Wir stehen an einem Scheideweg angesichts der anstehenden Wahlen. Wenn wir wollen, dass sich queere Menschen ohne Angst vor Gewalt bewegen können, dann zählt jetzt jeder Mensch, der sich für eine offene Gesellschaft einsetzt.“  

Yasmine-Blanche Werder, Vorstandsmitglied LSVD+ – Verband Queere Vielfalt Berlin-Brandenburg erklärt außerdem: „Ein Machtwechsel hin zu antidemokratischen Parteien in Brandenburg hätte verheerende Auswirkungen auf die queere Community. Es bestünde die Gefahr von mehr Diskriminierung, Einschränkung der Rechte und einer Zunahme von Hass und Gewalt. In einem so großen Bundesland wie Brandenburg ist es bereits aktuell eine große Herausforderung, landesweit allen queeren Menschen sichere Anlaufstellen zu bieten. Eine Regierung mit antidemokratischen Parteien würde die Sicherheit und das Wohlbefinden queerer Menschen massiv beeinträchtigen, ihre Lebensqualität gefährden und die gesamte Gesellschaft spalten. Es ist daher von größter Bedeutung, sich vereint gegen jede Form von Intoleranz und Unterdrückung zu erheben, um eine offene und inklusive Gesellschaft zu bewahren.“ 

Laura Fischinger vom Verein RosaLinde Leipzig e.V. bestätigt:
“Die zunehmende Schwierigkeit in Sachsen besteht darin, dass sowohl die Bedrohung durch rechtsextreme Gruppierungen als auch die schwierige finanzielle Situation von Bildungs- und Beratungsinitiativen das Engagement für queere Menschen beeinträchtigen.Zum Jahresbeginn wurde der Antrag des Vereins auf Förderung queerer Bildungsarbeit an Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Leipzig, dem Landkreis Leipzig und Nordsachsen abgelehnt. Nach fast 30 Jahren erfolgreicher Arbeit und steigender Nachfrage soll das Angebot plötzlich eingestellt werden – eine Entscheidung, die gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen und der politischen Entwicklungen in diesem Bundesland unverständlich ist. Dank intensiver Öffentlichkeitsarbeit konnte zwar eine Ersatzfinanzierung aus kommunalen Mitteln der Stadt Leipzig für die queere Bildungsarbeit sichergestellt werden, diese Fördermittel dürfen allerdings nur für die Arbeit innerhalb der Stadt verwendet werden. Gerade in den Landkreisen wäre es jedoch von großer Bedeutung, Sichtbarkeit für queere Themen zu schaffen. Daher bleibt die Forderung an die Politik bestehen: Eine dauerhafte Finanzierung der Arbeit des Vereins ist dringend notwendig und queere Bildung muss im Koalitionsvertrag verankert werden!
Gleichzeitig wird die Herausforderung der Unterbringung von queeren Geflüchteten diskutiert, insbesondere hinsichtlich Gewaltschutz und Sensibilisierung in Erstaufnahmeeinrichtungen. Die Frage nach der Platzierung queerer Gemeinschaftsunterkünfte in Leipzig oder im Umland ist aktueller denn je. Es werden auch Barrieren beim Zugang zu allgemeinen Beratungseinrichtungen sowie die Notwendigkeit zielgruppenspezifischer Räume untersucht.
Es ist erfreulich festzustellen, dass es dieses Jahr viele kleine CSDs in den sächsischen Landkreisen gibt! Insbesondere auf dem Land müssen queere Personen sich noch verstecken und sind einem erhöhten Risiko von Diskriminierung und Hass ausgesetzt. Deshalb ist es in Kleinstädten und ländlichen Gegenden besonders wichtig, sich für mehr Sichtbarkeit und Toleranz gegenüber geschlechtlicher und sexueller Vielfalt einzusetzen!”

Besonders mehrfach marginalisierte Communitys brauchen in diesen Zeiten des Angriffs auf Menschenrechte gesellschaftlichen Rückhalt und Unterstützung. Die hohen Umfragewerte antidemokratischer Parteien bedrohen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Ganzes. Die Menschenrechte aller Personen stehen auf dem Spiel. 

Zum Hintergrund: 

Der IDAHOBITA wird seit 2005 jährlich begangen und gedenkt der Entpathologisierung von Homosexualität am 17.5. 1990 durch die Weltgesundheitsorganisation WHO. 

Der Bundesverband Trans* (BVT*) versteht sich seit seiner Gründung 2015 als ein Zusammenschluss von Einzelpersonen, Gruppen, Vereinen, Verbänden und Initiativen auf Regional-, Landes- und Bundesebene. Das gemeinsame Bestreben ist der Einsatz für geschlechtliche Selbstbestimmung und Vielfalt.

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) ist ein Bürgerrechtsverband und vertritt Interessen und Belange von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen sowie weiteren queeren Menschen (LSBTIQ*).

Trans-Inter-Aktiv in Mitteldeutschland (TIAM) e.V. ist ein seit 2014 bestehender Verein, welcher sich für die Rechte von trans, inter, nicht-binären und agender Personen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt einsetzt und u.a. im Rahmen des Bundesprogramms “Demokratie Leben!” gefördert wird. 

Quelle: EU LGBTIQ survey III. LGBTIQ Equality at a Crossroads: Progress and Challenges. Country Data – Germany https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/lgbtiq_survey-2024-country_sheet-germany.pdf 

Dieses Statement ist auch als BVT*-Pressemitteilung erschienen und kann als PDF heruntergeladen werden.

Grafik. Da steht: "Heute ist IDAHOBITA internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans*,- und asexuellenfeindlichkeit. Rechts extremismuss stoppen. Kommunal- und Landtagswahlen" Zeichnung einer Wahlurne. Das gesamte Bild hat die Farben Hellblau und Hellrosa.