Am Mittwoch, den 09.04., stellte die künftige Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD in Berlin den neuen Koalitionsvertrag vor. Konkrete queerpolitische Maßnahmen, die Diskriminierung gegenüber LSBTIQ*-Personen abbauen und die Akzeptanz für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt stärken, finden sich in dem Vertrag nicht.
In Bezug auf das Selbstbestimmungsgesetz wurde vereinbart, dass das Gesetz bis zum 31.07.2026 evaluiert werden soll. Bei der Evaluation solle ein „Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen“ gesetzt werden, heißt es im Vertrag. Allgemein verpflichten sich die künftigen Regierungsparteien, die Rechte von trans* und intergeschlechtlichen Personen zu wahren.
Dazu erklärt Nora Eckert, Vorständin im Bundeverband Trans*: „Wir sehen, dass um den Punkt des Selbstbestimmungsgesetzes zwischen den Verhandler*innen gerungen wurde. Wir bewerten es positiv, dass an dieser Stelle ein Kompromiss gefunden wurde. Die im Koalitionsvertrag geplante Evaluation ist auch im Selbstbestimmungsgesetz innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten verankert. Laut Gesetz soll dabei vor allem geprüft werden, ob das Gesetz gemäß verfassungs- und europarechtlichen Grundsätzen die geschlechtliche Selbstbestimmung stärkt. Dieser Fokus findet sich im Koalitionsvertrag nicht. Die festgehaltene Schwerpunktsetzung der Evaluation erinnert eher an die polarisierte gesellschaftliche Debatte, in der das Selbstbestimmungsgesetz beispielsweise als Gefahr für Frauen oder Kinder dargestellt wurde. Die geplante Evaluation muss sich am gesetzlichen Auftrag und nicht an vorurteilsbehafteten Annahmen orientieren.“
Neben dem Selbstbestimmungsgesetz werden keine konkreten queerpolitischen Regelungen benannt. Unter der Zwischenüberschrift „Geschlechtliche Vielfalt“ heißt es allgemein: „Wir verpflichten uns weiterhin, queeres Leben vor Diskriminierung zu schützen.“ Um ein diskriminierungs- und gewaltfreies Leben zu ermöglichen, sollen nicht weiter definierte Maßnahmen geschaffen werden, die „sensibilisieren und den Zusammenhalt und das Miteinander stärken“. Im Bereich der Gesundheitsversorgung werden queere Personen im Zusammenhang der Gestaltung einer geschlechter- und diversitätssensiblen Medizin erwähnt. Zu wichtigen queerpolitischen Forderungen wie der Reform des Abstammungsrechts, der Ergänzung des Artikel 3 GG, der Fortführung des Aktionsplans ‚Queer Leben‘ sowie der Entschädigung von Grundrechtsverletzungen gegenüber trans* und intergeschlechtlichen Personen findet sich im Koalitionsvertrag keine Vereinbarung. Positiv ist, dass das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fortgeführt wird.
Deutlich wird, dass der Koalitionsvertrag für LSBTIQ*-Geflüchtete viele Verschlechterungen vorsieht. Zahlreiche Maßnahmen wie u.a. die Beendigung von Aufnahmeprogrammen, die Zurückweisung an den Grenzen und die Erweiterung der Liste von vermeintlich „sicheren Herkunftsstaaten“ erschweren oder verunmöglichen, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen. Damit werden insbesondere LSBTIQ*-Geflüchtete, die vor Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder körperlichen Geschlechtsmerkmale fliehen, extrem gefährdet.
„Gerade für mehrfachmarginalisierte queere Personen wie LSBTIQ*-Geflüchtete sieht der Vertrag massive Verschlechterungen vor, die Menschenleben gefährden. Die künftige Regierung nimmt an dieser Stelle Menschenrechtsverletzungen in Kauf. Insgesamt ist dieser Koalitionsvertrag eine Enttäuschung für queere Personen. Die Verhandler*innen haben sich in keinem Punkt klar verpflichtet, die rechtliche Situation von queeren Personen zu verbessern. In Zeiten steigender LSBTIQ*-Feindlichkeit ist das ein falsches Signal“, führt Nora Eckert abschließend aus.
Weiterführende Links:
Das aktuelle BVT*-Positionspapier „Trans*rechte als Menschenrechte anerkennen! – Für Akzeptanz, Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ kann als PDF heruntergeladen werden (bitte auf den Titel klicken).
Diese Pressemitteilung kann hier als PDF abgerufen werden (hier klicken).