Im Rahmen der Bundespressekonferenz wurden heute, am 30.6., die Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetzes vorgestellt. Der Bundesverband Trans* begrüßt den öffentlichen Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens.
Dazu erklärt Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans: „Es ist ein kraftvolles Signal, dass die Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz heute in der Bundespressekonferenz vorgestellt wurden. Dass zwei Bundesministerinnen die Eckpunkte präsentiert haben, zeigt welche hohe Bedeutung dieses Gesetzesvorhaben in der Regierung hat. Wir begrüßen sehr, dass dieser erste wichtige Schritt in Richtung eines Selbstbestimmungsgesetzes unternommen wurde. Es ist ein Grundrecht, in der eigenen geschlechtlichen Identität anerkannt zu werden. Die Eckpunkte sehen viele wegweisende Verbesserungen vor.“
In den vorgestellten Eckpunkten werden zentrale Forderungen für eine menschenrechtsbasierte Ausgestaltung des Personenstandsrechts umgesetzt. So soll in Zukunft die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen allein durch Selbsterklärung vor dem Standesamt möglich sein.
Damit werden Regelungen für trans, inter und nicht-binäre Personen vereinheitlicht.
Dies entspricht den Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europa-Rates. Diese hatte 2015 ihre Mitgliedstaaten in einer Resolution aufgefordert, „schnelle, transparente und leicht zugängliche Verfahren auf Basis der Selbstbestimmung“ für die Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens zu etablieren.
Minderjährige zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr sollen laut der Eckpunkte den Geschlechtseintrag mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ändern können. Es ist zu befürchten, dass durch diese Hürde, jugendliche trans, inter und nicht-binäre Personen in ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung eingeschränkt sind. Diese Sicht teilt auch der deutsche Kinderschutzbund, der eine selbstbestimmte Regelung ab dem 14 Jahr begrüßt. In einem Presseinterview sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dass Personen über 14 Jahren selbst über ihre Geschlechtszugehörigkeit entscheiden könnten sollten.
An den Eckpunkten positiv zu bewerten, ist die vorgesehene Stärkung des Offenbarungsverbots, welches Personen nach einer Geschlechtseintragsänderung vor Diskriminierung schützen soll.
Ebenso positiv ist, dass die Situation von trans* und nicht-binären Eltern mit bedacht wurde: Auch wenn die endgültigen Regelungen in der anstehenden Abstammungsrechtsreform erarbeitet werden sollen, sehen die Eckpunkte eine Übergangslösung vor. Diese soll Eltern und ihre Kinder beispielsweise bei Schuleintritt oder Grenzübertritt vor einem Zwangsouting bewahren und so vor möglichen Diskriminierungen und Anfeindungen schützen.
Der Bundesverband Trans* begrüßt ebenfalls sehr, dass die Eckpunkte Entschädigung für Zwangsscheidungen und Zwangssterilisationen vorsehen. Im Papier ist von Anerkennungsleistungen für trans* und inter* Personen die Rede, die „aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind“.
Die Abschaffung des TSGs und die Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes wird von Community-Verbänden und Aktivistinnen seit Jahrzehnten gefordert. Das veraltete TSG steht für Menschenrechtsverletzungen und wurde sechsmal vor dem Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Wiederholt berichten trans Personen von übergriffigen Fragen und Untersuchungen während den Begutachtungen, die durch das TSG bis heute Voraussetzungen sind, um den Geschlechtseintrag zu ändern.
Kalle Hümpfner sagt hierzu weiter: „Viele trans* Personen warten sehnlichst darauf, dass ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt wird. Einige zögern die Änderung ihres Geschlechtseintrags aufgrund der aktuellen Gesetzeslage über Jahre hinaus. Die heute vorgestellten Eckpunkte machen Mut und zeigen, dass die Regierung dieses Thema ernstnimmt und sich für eine zügige Umsetzung des Vorhabens einsetzt. In diesem Sinne sind wir gespannt auf die kommenden Monate und setzen auf eine konstruktive und respektvolle Debatte.“
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Fotonachweis: Cunaplus_M.Faba